Hinweis: Aktuelle Beiträge finden Sie auf der Startseite bzw. im „Weblog“. Die einzelnen Themenpunkte „Naturschutz“ , „Gesundheit“, „Windstärke“ usw. können wir dagegen nicht immer auf den aktuellen Stand bringen. Dies würde zu viel Arbeitszeit im ohnehin sehr aufwändigen Bürgerengagement beanspruchen, zumal die politischen und gesellschaftichen Entwicklungen rund um das Thema „Windenergie“ recht rasant voranschreiten. Wir bitten um Verständnis.
Im Markgrafenwald, wo bislang ein naturnaher Lebensraum gegeben war – forstwirtschaftlich genutzt, doch allein durch seine Lage wertvolles Rückzugsgebiet für viele Vogel- und Fledermausarten -, soll eine Windenergie-Industrialisierung mit großtechnischen, rund 200 Meter hohen Anlagen entstehen.
Grundsätzlich ist die Erhaltung der Schönheit und Eigenart von Landschaften in Naturpark-Verordnungen sowie im Naturschutzgesetz juristisch festgelegt. „Mit § 1 Nr. 4 BNatSchG wird die optisch-ästhetische Zielsetzung des Naturschutzes herausgestellt. Die Begriffe Vielfalt, Eigenart und Schönheit werden im Naturschutzrecht vor allem zur Charakterisierung des Landschaftsbildes verwendet.“ Quelle: naturschutzrecht-online.de.
Man kann daher nur erstaunt den Kopf darüber schütteln, wie sich die aktuelle Ausrichtung einer – bezogen auf den Landschafts- und Naturschutz völlig missratenen – Energiewende gegen die in 50 Jahren gewachsenen landschafts- und naturschutzfachlichen Ideale und Gesetze wendet. Erkennt man den Natur- und Landschaftsschutz als einen wesentlichen und zukunftsweisenden Wertewandel der letzten Jahrzehnte, so scheint heute die Revolution ihre eigenen Kinder zu fressen: Voreilig und einseitig entwickelte „Klimaschutzmaßnahmen“ sind gerade dabei, den mühsam erkämpften ökologischen Wert ad absurdum zu führen.
Kulturlandschaften haben sich immer verändert, das ist keine Frage; die gegenwärtige energiepolitische Technisierung und Industrialisierung der wertvollen ländlichen Naturräume trifft jedoch das landschaftspsychologisch belegbare Bedürfnis des Menschen – auch der nachfolgenden Generationen – nach stillen, naturnahen Erholungsräumen am wundesten Punkt: Gerade die waldreichen Mittelgebirge, die Refugien und Ausgleichsräume im Kontext anhaltender Verstädterung, die letztlich das Kapital der ländlichen Regionen darstellen, sollen gegenwärtig in Windeseile einer kurzsichtigen energiepolitischen Fehlentwicklung geopfert werden und drohen im Sumpf kapitalistischer Subventionspolitik irreparable Schäden zu nehmen. Wer es ernst meint mit dem Schutz der Ressourcen Landschaft und Natur, der kann das nicht hinnehmen.
Lesen Sie hierzu auch das Gutachten Windkraft und Landschaft. Zur landschaftsästhetischen Problematik des geplanten Windparks Markgrafenwald im Odenwald von Univ.Prof. Dr. Jürgen Hasse.
Mitten im Markgrafenwald, Aufnahme: September 2013 – Kein schöner Land in dieser Zeit: zukünftig Wandern unter zwölf 200 Meter hohen Windkraftanlagen?
Eigentlich ist das Wissen über den Wert und die Bedeutung naturnaher Landschaften längst „angekommen“, sollte man jedenfalls meinen. Einerseits spricht das Naturschutzgesetz eine klare Sprache, auch wenn in den aktuellen energiepolitischen Debatten etliche Grundwerte zu Gummiparagraphen zu verkommen drohen, Andererseits arbeitet man seit vielen Jahren bereits in der Tourismusbranche ländlicher Regionen mit empirisch ermitteltem Knowhow, so fließt beispielsweise der „Erlebniswert“ nicht-technisierter, naturnaher Landstriche maßgeblich in die Zertifizierung von Wanderwegen mit ein. Die Prognose tourismuswirtschaftlicher Einbrüche in denjenigen ländlich geprägten Teilräumen, die stark von Windparks betroffen wären, kann man aus Studien zweifellos herauslesen. Gutachten, die das Gegenteil behaupten wollen, widersprechen dem Grundwissen, mit dem man in der Tourismusplanung seit den 1990er Jahren arbeitet; wer eine Industrialisierung naturnaher Landschaften als neutralen Tourismusfaktor einstufen will, widerspricht dem Konsens aus über zwanzig Jahren empirischer Forschung und bewegt sich eindeutig auf Windkraft-lobbyistischem, nicht aber auf sozialwissenschaftlichem Boden.
Unter dem Titel „Akzeptanz von Windenergieanlagen in deutschen Mittelgebirgen“ erschien eine Studie des an die Uni Passau angekoppelten Centrums für marktorientierte Tourismusforschung „CenTouris“. Der Untersuchungszeitraum war Ende 2012, eine Zeit also, in der die Auswirkungen auf Landschaftsbild und Naturraum noch nicht einmal annähernd vor Augen geführt wurden. Zentrale Erkenntnisse der Studie: Nur 21 % der Befragten begrüßen Windenergieanlagen in deutschen Mittelgebirgen und eine besonders geringe Akzeptanz gibt es in Urlaubsregionen. 26 % der Befragten sehen Windkraftanlagen an Aussichtspunkten und an Wander- und Radwegen als Grund, in dieser Region keinen Urlaub zu machen. Sogar 15 % der grundsätzlichen Windkraft-Befürworter teilen diese Ansicht. – Demnach sollte man sich auch tourismuswirtschaftlich eingehend mit der Frage auseinandersetzen: Bricht in vielen Kommunen der ländlichen Regionen bald ein gutes Viertel der jährlichen Touristen weg? Und verlieren somit vor allem diejenigen Betriebe mit direkter Aussicht und Schallauswirkung?
Weiter gedacht: Man muss davon ausgehen, dass genau diejenigen Regionen einen Tourismusanstieg verzeichnen können, die keine Windkraftanlagen haben, dazu würde nach momentanem Stand beispielsweise ein Nationalpark gehören – so wie etwa die neu ausgewiesenen Areale im Hunsrück oder im Nordschwarzwald. Fazit: Ein mit windkraftindustriellen Anlagen durchzogener Odenwald würde tourismuswirtschaftlich unaufhaltsam auf der Verliererseite stehen und einen großen Teil seiner Gästezahlen an Windpark-freie Regionen abtreten müssen, die den bekannten Reisemotiven Stille, Natur, naturnahe Landschaft usw. besser entsprechen.
Es grenzt geradezu an Hohn oder zeugt von Unwissenheit, wenn man einen Windpark im Kontext flächendeckender Landschaftsverschandelung als „energietouristisch“ attraktiv darstellen möchte, wie es vereinzelt von den Vorhabensträgrn der Windpark Markgrafenwald GbR öffentlich geäußert wurde – die Zeit, als ein einzelner Windpark einmal eine technische Sehenswürdigkeit für interessierte Besucher darstellen konnte, ist durch die jetzigen energiepolitischen Massenentwicklungen definitiv abgelaufen.
Fotomontage: Blick vom „Wanderparkplatz“ Brummerskreuz in Waldbrunn (Vorlage: Fuckert) – Schreiten Landschaftsverschandelung und Flächenverbrauch nun auch im Hohen Odenwald voran?
Ein weiteres Problem, das sich mit der Zerstörung naturnaher Lebensräume verzahnt, ist der Flächenverbrauch, auch in ländlichen Gebieten: „Im Jahr 2012, wurde täglich eine Fläche von 6,7 Hektar für Baumaßnahmen beansprucht. Das entspricht einem Jahreszuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche in der Größenordnung von rund 3 500 Fußballplätzen (70m x 100m). (…) 2006 und 2007 steht wieder für einen Anstieg des Flächenverbrauchs, ebenso das Jahr 2012″, so geht es aus der Statistik des Baden-Württembergischen Landesamtes hervor.
Auch die Metropolregion Rhein-Neckar bezieht hier eigentlich eine klare Position: „Die entsprechenden Planinhalte des Einheitlichen Regionalplans sollen insbesondere den noch immer anhaltenden Flächenverbrauch eindämmen und dadurch die nur begrenzt verfügbaren natürlichen Ressourcen langfristig sichern.“
Mitten in unseren naturnahen ländlichen Wäldern soll nun zur ohnehin gravierenden Problematik ein weiterer, diesmal energiepolitisch „ausgeklügelter“ Flächenverbrauch durch die Einrichtung von Vorrangflächen für industrielle Windenergieanlagen kommen! Zwölf Windkraftanlagen in Markgrafenwald und Augstel würden über 4 ha Wald in Anspruch genommen; hinzu kommen massive Rodungen für den Wegeausbau, um Schwertransporte zu ermöglichen, für das erforderliche Umspannwerk usw. In einem Gutachten, das die IHO im Jahr 2013 in Auftrag gab, heißt es: „Eine Windkraftanlage überstreicht eine Fläche von 10.715 m². Bei zwölf Anlagen ergibt sich daraus eine [von den Rotoren, Anm. d. Verf.] überstrichene Gesamtfläche von 128.580 m² bzw. 12,8 ha„, also über 20 durchschnittlich große Fußballfelder.
Ein „Windpark“ wie der im Markgrafenwald lässt sich nicht in seine Einzelstandorte aufteilen, so als wäre zwischen den 200 m hohen Maschinen und ihren im Durchmesser 117 Meter messenden Rotoren noch ein naturnaher Wald wahrnehmbar. Landschaftspsychologisch würde die gesamte Windfarmfläche als technisiertes Gelände wahrgenommen. Selbst wenn die gerodeten Waldflächen dann durch gesetzliche Eingriffsregelung anderswo neu geschaffen werden könnten, so betrifft der Flächenverbrauch eine Gesamtfläche von rund 170 ha – und das allein für diese Vorrangfläche auf dem Waldbrunner (und Eberbacher) Bergrücken, die aus ihrer bisherigen Waldfunktion heraus genommen und in eine Industriestätte umfunktioniert wäre. Dieses Ausmaß an zusätzlichem Flächenverbrauch würde sich durch die derzeitigen energiepolitischen Ziele flächenhaft im Odenwald und in allen Mittelgebirgen fortsetzen.
Lassen Sie sich die Ausmaße einmal vor dem geistigen Auge erscheinen: „Schon das Fundament der E-126 soll 3500 Tonnen wiegen. Darauf ein hundertdreißig Meter hoher Turm aus Stahlbeton, macht noch mal 2800 Tonnen. Maschinenhaus und Generator werden mit fast 320 Tonnen zu Buche schlagen, die Nabe mit Flügeln nochmal so viel – Werte wie bei einem Fernsehturm. Eine 200 Meter hohe Windkraftanlage mit 7000 Tonnen Gesamtgewicht.“ Quelle: 3sat
Historischer Blick zwischen Höllbachtal und Reisenbachtal, rechts im Bild der Anstieg vom Eberbacher Augstel zum Waldbrunner Markgrafenwald. – Kulturlandschaften haben sich immer verändert, aber gegenwärtig stehen uns neue, bislang undenkbare Dimensionen einer Industrialisierung ländlicher Regionen bevor. Zu welchen Opfern sind wir bereit? Und wem oder was dient die Landschaftsverschandelung wirklich?